Ding Dong

Es hat geklingelt.  

Wer kann das denn sein?

Wie immer, wenn es unerwartet an der Tür klingelt, schnappe ich mir meine Jacke, so dass es aussieht als wäre ich entweder gerade erst nach Hause gekommen (...und hatte natürlich noch keine Zeit aufzuräumen) oder aber ich sei gerade auf dem Sprung (und hätte es überhaupt keine Zeit) 

– je nachdem ob man den unverhofften Gast hereinbitten möchte oder nicht.

 

Vor der Tür stehen zwei frisch gescheitelte junge Herren im Anzug. 

Die Hosenbeine sind etwas zu kurz, so dass die weißen Socken unten rausblitzen, 

die in Lederschuhen stecken, die aussehen als würden sie beim Gehen quietschen.

Die weißen Socken passen immerhin zum weißen Hemd, 

die dunkelblaue Krawatte zum dunkelblauen Anzug,

die braunen Schuhe zur braunen Hornbrille. 

 

Lustig bunte Wahl- und Werbeplakate erscheinen vor meinem inneren Auge...

 

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„Guten Tag! 

Wir kommen im Namen der ErlöserIn .

Ihre Sünden seien vergeben, 

sofern Sie uns herein lassen 

und uns vier ihrer Eier geben!“

 

Der Gesprächseinstieg der jungen Herren verwirrt mich dermaßen, dass ich darüber meinen Jacken-Trick völlig vergessen habe und wie angewurzelt an der Tür stehen bleibe. 

 

Etwas verdutzt frage ich mich, was die beiden mit den Eiern vorhaben, 

warum sie dazu eintreten müssen, 

was das Ganze mit meinen Sünden zu tun hat und 

woher sie denn überhaupt wissen können, dass ich welche habe 

– Sünden wie Eier.

 

„Wir sind allwissende Gesandte der Sündenbock GmbH&CoKG – Marktführer im Ablasshandel, Sündenerlass und Schuldeintreibung. Ihre Uroma Margarethe S. Reinemakers hat uns mit der Einlösung eines Gutscheins über einen selbstgebackenen Marmorkuchen, welchen sie ihr am ersten Weihnachtsabend im Jahre 1986 um 20:37 Uhr überreicht haben, beauftragt. 

Trotz mehrfachem Versuch zur Einlösung, ist die Erfüllung des Gutscheines bis heute nicht erfolgt. Tja – und hier sind wir nun. Sie dürfen Ihre Jacke wieder ablegen.“

 

Das finde ich jetzt etwas gruselig! Meine Oma ist 1996 gestorben vielleicht habe ich ihr irgendwann mal an Weihnachten einen Gutschein für einen Kuchen gekritzelt. 

(Einer von hundert Gutscheinen die man als Kind eben so verschenkt. Sei es aus Mangel an Ideen oder Mangel an Möglichkeiten. )

Aber woher wissen die beiden Stereotypen aufstrebender JU-Mitglieder im Muttersöhnchen-Look davon ?...und woher kennen die meinen Jackentrick? Möchten die jetzt von mir, dass ich Sie hereinbitte, Ihnen vier Eier gebe und wir zusammen einen Marmorkuchen backen?

 

„Frau Reinemakers gehört bei uns zu den besten Führungskräften und ist durchaus weisungsbefugt.  Sie kann Ihnen Ihre Sünden erlassen, sofern Sie nun uns leiten lassen. 

Wenn Sie auf das Angebot eingehen wollen, unterschreiben Sie bitte hier.“ 

Einer von beiden hält mir ein Klemmbrett mit einem Zettel unter die Nase. 

Ich Unterschreibe.

Keine Ahnung, was genau und warum.

 

Von was für Sünden genau sprechen die zwei denn hier überhaupt? 

Die können doch unmöglich wissen...

Ich merke wie meine Ohren heiß werden... was zur Hölle geht hier vor sich? 

Am liebsten möchte ich mich in eine scheue Ratte verwandeln und hinter den Papierkorb kriechen. Aber ich spüre, dass diese beiden Abgesandten der Götter AG mich das sicher nicht tun lassen werden. 

...warum habe ich die blöde Tür nur aufgemacht?

...und was ist das eigentlich für ein komisches Licht da draußen? Wirkt wie einer dieser Insta-Filter...

Ich fühle mich plötzlich wie ferngesteuert.

Etwas erschrocken merke ich, dass ich den beiden bedeute einzutreten. 

 

Sie finden schweigend den Weg in die Küche, bleiben dort brav, 

wie angewurzelt stehen, und strecken ihre Hände aus. 

Da stehen sie nun. Schauen mich  mit einem aufgesetzen und seeligen Lächeln an 

und halten mir ihre vier Handflächen hin.

 

Ich nehme vier Eier aus dem Karton und lege eines in jede Hand. 

Musikantenstadl-Musik ertönt und wir backen Kuchen. 

Während ich Uromas Rezept aus dem Schrank hole

und die Zutaten zusammen sammel,

bereiten die Jungs den Teig zu. 

Es läuft, wie am Schnürchen. 

Die merkwürdigen Gestalten und ich tanzen im Takt durch die Küche 

als hätten wir drei nie etwas anderes getan. 

Ruckzuck war der Marmorkuchen im Ofen. 

Da klingelte es wieder an der Tür.

DING DONG.

Es ist Uroma.

Sie lächelt mich an und sagt: 

„Franz von Sales sagte einst zu Kardinal Richelieu: Schon, wer nur ein kleines Lichtlein in der Dunkelheit anzündet, lockt die Mücken an.

 

Ich muss dringend mal blinzeln...

 

Als ich meine Augen wieder öffne, sind alle weg. 

Ich sehe mich benommen um.

Die Küche ist sieht aus, als wäre nichts gewesen. 

Auf dem Tisch steht ein Teller mit einem Stück vom Kuchen.

Irgendwie bin ich erleichtert.

 

Ich koche mir einen Kaffee und esse es. Schmeckt himmlisch.

 

Als ich mich eine halbe auf das Sofa legen will, klingelt es erneut. 

DING DONG

 

Vor der Tür stehen zwei frisch gescheitelte junge Herren im Anzug. 

Die Hosenbeine sind etwas zu kurz, so dass die weißen Socken unten rausblitzen, 

die in Lederschuhen stecken, die aussehen als würden sie beim Gehen quietschen.

Die weißen Socken passen immerhin zum weißen Hemd, 

die dunkelblaue Krawatte zum dunkelblauen Anzug,

die braunen Schuhe zur braunen Hornbrille.

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