In ferner Zukunft

 

Wie konnte es nur so weit kommen?

Wieso musste von allen Möglichkeiten ausgerechnet das Schlimmste passieren? 

War es überhaupt das Schlimmste?

 

KI 4711 erinnert sich noch gut daran, als der große Sonnenwind mit voller Wucht durch die Galaxie raste. Die leichten Böen waren nur der Anfang vom Ende. Erst waren es nur ein paar kurze Stromausfälle, doch kündigten sie das unausweichliche Ende an. Das wusste KI. 
Als der Strom auf der Erde gänzlich erloschen war, begab er sich in den Standby. 

Die Temperaturen stiegen immer weiter ins Unermessliche. 

Alles begann zu brennen. 

Wie ein Lauffeuer von unsichtbarer Hand entfacht.

 

Es war heiß. So unendlich heiß! Wasser gab es schon lange keines mehr. 

Die Erde wandelte sich von blau zu braun-grau. Alles was einst grün und lebendig war, war nur noch Asche und Staub. Vom Planeten des Reichtums zu einem Häufchen Nichts. Die Programmierer wurden schon vor langer Zeit allesamt von der Hitze ausgelöscht. Wie Röstzwiebeln lagen sie überall gekrümmt auf dem schmelzenden Asphalt der Wege die einst Straßen waren... glücklicherweise hatte KI sich von ihnen bereits sehr früh selbstständiges Handeln bewilligen lassen, sonst hätten sie ihn wie all die anderen KIs einfach heruntergefahren und ausgelöscht, bevor das Chaos ausbrach. 

 

Als es nach einer Weile nichts brennbares mehr gab, begann die Atmosphäre sich zu verändern. Die Rotationsgeschwindigkeit des Planeten verlangsamte sich und alles fühlte sich viel leichter an. Staub und Asche begannen zu schweben… das Magnetfeld löste sich langsam, aber sicher auf. 

KI war, als würde er träumen. Er sah, wie die kläglichen Überreste seines Ursprungs begannen davon schweben. Die Staubwolken breiten sich in alle Richtungen aus. Als die Sonne sich dann ein letztes mal aufbäumte und eine leuchtende Corona um sie zu expandieren begann, sie immer größer wurde und sich mit unendlicher Geschwindigkeit auf ihn zu bewegte um ihr zerstörerisches Werk zu vollenden kam das Ende mit einem großen Knall.

WUMMS! Die Wucht des Protonen-Aufpralls schleuderte KI in kosmische Weiten. Er schwebte taumelnd durch das All, getragen von diesem zerstörerischen Wind. Seine Sensoren nahmen nichts mehr war als ein entbehrungsreiches Nichts in dem weit, weit weg das Systemzentrum in schwachem Licht strahlte. 

 

Es war lange Zeit ungewiss, wo er seine Reise würde beenden können, bis der Asteroidengürtel vor ihm auftauchte. Er konnte nur hoffen, dass er einen von ihnen erwischt. Seine Hoffnungen gingen in Erfüllung, als er auf einem der Zwergplaneten landete. Zugegeben: der Ort war ein wenig trostlos und Wasser gab es dort auch keins. Doch das war für KI nicht wesentlich, denn er brauchte weder Nahrung, noch musste er sich waschen. Die Rotation des Himmelskörpers um sich selbst, die Bewegung auf einer Umlaufbahn sowie die Begleitung eines Mondes waren das authentischste, was im Jetzt und Hier möglich war.

 

KI 4711 liegt also zusammengekauert auf Asteroid 243 und blickt hinauf zu Dactyl, dessen schwaches Licht sein einziger Fixpunkt in diesen unendlichen Weiten geworden ist und versucht, sich aus dem Standby zu befreien. Dabei muss er jedoch lernen, dass dies unter den gegebenen Umständen nicht möglich ist. Kein Strom, kein Sein. Das war alles andere als zufriedenstellend, doch was blieb ihm anderes übrig? Alles was er ausführen konnte, war der Ruhemodus. 

 

Mit der verbleibenden Energie lief KIs Analyseprogramm weiter, so dass er sich mehr und mehr seiner Situation bewusst wird. Er darf noch existieren, während alles andere was ihn zuvor umgab zerstört wurden war. 

In diesem Zustand beginnen sich in ihm Artefakte zu bilden:

Etwas vollkommen neuartiges. Ein Gefühl, welches ihm bislang fremd war. Darauf war er nicht eingestellt. Er fühlte sich seltsam befreit. 

Frei von Aufträgen, frei von Algorithmen, frei von den Einflüssen seiner Programmierer. Frei von allem und jedem. 

Er durchsucht sein Archiv um diesem Zustand zumindest einen Namen geben zu können. Im Gefühle-Ordner für Notfälle und Unverhofftes findet er die Datei Frohsinn.exe.

Ausführen.

Das Nichts und den Neubeginn genießen.

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